Gretel und der grosse Ofen

Zu unserer täglichen Routine gehört neben der Hege und Pflege der Vier- und Zweibeiner auch das füttern des Stahltrosses im Garten von Jane und Rainer: Die Heizung.

2014-01-11_912-1024Ein Koloss von 2 Metern Höhe, 2 Metern Länge und vielleicht 1.5 Metern Breite. Sieht aus, wie ein kleines Haus. Purer Stahl, made in America (im Notfall könnte man daraus sicher im handumdrehen einen Atombunker bauen), auf dem Dach ein Kamin mit Ventilator, das in einem mir unverständlichen Zyklus dicke Rauchschwaden spuckt. In diesen Momenten gleicht das Ungetüm von Ofen einer Dampflock, die kurz ihren Halt am Bahnhof macht, um dann fauchend und zischend in der Winterlandschaft davonzutuckern.
Manchmal steht der Ofen aber auch ganz still, kein Fünklein, kein Räuchlein, kein Mucks, als ob nie etwas gewesen wäre… Ein schlummernder Vulkan.
Im Bauch des Ofens ist ein komplexes System von Türen, Türchen und Riegeln verschiedenster Grösse und Dicke, dahinter die Brennkammern, alle irgendwie sinnvoll miteinander verbunden. Ein System, so angelegt, dass aus möglichst wenig Holz, möglichst viel Wärme rauskommt. (wobei “wenig” sehr relativ ist: Pro Woche verschlingt das Ding etwa einen Baum von 40cm Durchmesser. Mindestens. Je nach Minusgraden in der Nacht.)
Irgendwo neben diesen Brennkammern müssen noch Rohre versteckt sein, darin fliesst Wasser, das vom Feuer erhitzt, die Wärme dann ins Haus bringt und dort dafür sorgt, dass niemand kalte Füsse kriegt.
Eigentlich ganz simpel.
Und weil Jane und Rainer derzeit in Mexiko sind, gehört das Füttern dieses Monstrums nun eben zu meiner Frühschicht.

Jeden Morgen öffne ich das Ofenhaus: Zuerst auf der vorderen Seite. Stelle die Zeituhr, damit sich das Ventil für die Zugluft öffnet und es möglichst keine Stichflamme gibt, öffne die Tür zur grossen Brennkammer (die ist etwa auf Brusthöhe) und fühle, wie mir die Hitze entgegenschlägt. Ich muss mich strecken, um die schweren Holzscheite möglichst sorgfä2014-01-11_908-1024ltig nachzulegen, denn es sollen keine Schamottsteine am Boden der Kammer zerschlagen werden. So fülle ich den Ofen Stück für Stück und mit jedem Scheit, das ich nachlege, nimmt die Hitze zu. Die Flammen züngeln sich durch ihre Beute, wollen alles sofort fressen. Würden sie sicher auch. Wäre ich Gretel, die böse Hexe hätte in diesem Ofen keine Chance.

Ofen voll, Tür zu, Zeituhr abstellen.
Seite wechseln.
Tür auf der Hinterseite auf, Ofen ausschalten, eine ganz kleine Tür am Boden des Ofens öffnen, Asche rausholen, Tür zu, Ofen wieder anlassen, fertig.
Und jeden Morgen staunen, wie wenig Asche übrig bleibt, verglichen mit dem vielen Holz, das wir tags davor auf der anderen Seite reingelegt haben. Keine Ahnung, wo der Rest hingeht…

Nun, dieses Monstrum aus Stahl und Hitze verschlingt Holz mit einer Gier, wie ich eine Tafel Schokolade! Und wie mein Vorrat an Schweizer Schokolade, ist (leider!!!) auch der Vorrat an Feuerholz  beschränkt….
Jaja, das gute Feuerholz: Mit viel Liebe gefällt und gespaltet im letzten Sommer. Tage haben wir im Wald verbracht, Ausschau gehalten nach toten Bäumen, möglichst freistehend, dick genug, damit es auch anständig etwas hergibt, dünn genug, damit wir sie ohne Gefahr fällen konnten. LUMBEEEEER! Dann Rugeli schneiden, auf den Truck laden, zum Haus fahren, spalten, beigen, bis der Schopf voll war. Dann weiterbeigen um den ganzen Schopf herum. Stunden für Stunden, für Stunden. Im Sommer war ich sicher, dieses Holz reicht bis äne Tubak!

Aber jetzt ist März. Und immer noch liegt unsere Welt unter einer dicken Schneedecke. Von Frühling weit und breit keine Spur, so wenig wie von einem absehbaren Ende der Heizperiode.
Die Beige um den Schuppen ist längst weg, und auch im Schuppen stehen wir bereits vor dem letzten Haufen, sehen das Licht durchschimmern… Es stellt sich also nicht die Frage OB, sondern nur WANN uns das Feuerholz ausgeht. Vielleicht in 2 Wochen, 3?

Fest steht, bevor der Schnee geschmolzen ist, werden wir uns wieder auf die Suche machen müssen. Nach toten Bäumen. Genug dick, damit es etwas hergibt, genug dünn, damit wir sie noch fällen können.
Damit der ewig gierige Ofen ja nicht verhungert.

^esther

pS: Ein weiser Freund hat einmal gesagt: “Es gibt zwei Dinge, davon kannst du in Kanada nie genug haben: Geld und Feuerholz!”
Allerdings.

ppS: Das genau gleiche Prozedere macht natürlich auch der Hänsel, am Abend.