Elch = Wildtier. Nicht knutschen!

Eine weitere Geschichte aus der Kategorie: Wildtiere und wir.
Diesmal starte ich mit einem Zitat von mir selber: “Auf diesem Sofa wird morgens um 06:30 das erste Kaffee getrunken und gewartet, bis vor dem Fenster der Tag erwacht. Ich bin sicher, irgendwann läuft genau dann ein Elch vorbei. Irgendwann. Ganz sicher!”
So. Ich habe aber nicht geschrieben: UND GEHT NICHT MEHR WEG.

2014-01-25_Moose_1024

Folgendermassen.
Man stellt sich Wildtiere im eigenen Garten ja immer sehr romantisch vor (siehe auch: Noldi, der Hengst, bzw. Noldine, die trächtige Stute… wir sind uns also immer noch überhaupt nicht sicher!) Wildpferde, oder eben so ein Elch, der vorbeiläuft, einem nett zuzwinkert, sein Kalb, das auf den überlangen Stelzenbeinen lustig und etwas tapsig hinterherhüpft. Jöööööö!! Nun, in der Realität ist ein Elch im Garten aber gar nicht süss, sondern im Gegenteil: recht bedrohlich.
Ein paar Fakten:
– Ein erwachsener Elch (kanadisch: Moose, kommt vom Algonquin-Wort mooswa “Zweig-esser”) kann bis 3 Meter lang werden, die Schulterhöhe ist über 2 Meter
– wiegt zwischen 550 kg und 700 kg
– kann schneller als 50 km/h rennen
– easy 16km schwimmen und über 5m tief tauchen (!!!)
– mag es GAR nicht, wenn man ihn beim Fressen stört

Nun hat natürlich genau so eine riesige Elchkuh mit ihrem Kalb beschlossen, dass die zartesten Zweiglein genau zwischen unserem Häuschen und dem Haupthaus von Jane und Rainer wachsen. Läck bin ich verschrocke!!! Gehe ich mit dem Hund frühmorgens aus dem Haus, um (wie immer) die Hühner zu füttern, nehme (wie immer) den Weg dem See entlang, und blicke plötzlich einem gigantischen Tier in die Augen (nicht wie immer!).
Glücklicherweise hatte ich einen Hund dabei, wahrscheinlich auch genug Lärm gemacht, oder die Elchmama hat sich aus irgendeinem anderen Grund nicht von mir bedroht gefühlt… auf jeden Fall hat sie mich nicht angegriffen, sondern hat gemütlichst noch ein paar Zweige gekaut und ist dann davongezottelt. Glück gehabt! Ich notierte es innerlich sofort auf der Liste “Das werde ich meinen Enkeln erzählen!”
Was ich an diesem Morgen aber noch nicht begriffen hatte: die Elchmama und ihr Kalb haben sich nicht etwa ausnahmsweise zu uns verirrt, sondern die sind ganz offensichtlich da eingezogen! Am nächsten Morgen habe ich sie nämlich schon wieder überrascht. Mann!

Und jetzt kommts noch dicker: Gestern waren wir mal wieder im Ort vorne, in 100 Mile House. Als wir heimkamen, war es bereits dunkel (ca 18 Uhr). Ich musste noch schnell bei Rainer im Haupthaus vorbei, ein paar Sachen vorbeibringen, also hat mich Roland mit dem Auto direkt hingefahren, und ich wollte später die paar hundert Meter im Dunkeln heimlaufen (schon tausend Mal gemacht, und Schnee sei dank, sieht man auch ohne Taschenlampe genug). So zumindest war der Plan. Aber wie ich da mit Rainer noch ein bisschen redete, klingelt plötzlich mein Telefon. Das an und für sich ist schon eine Sensation, ruft mich doch nie jemand auf meine kanadische Nummer an! Erst recht nicht am Samstag Abend. Gucke ich auf das Display und sehe: Roland. ???Was isch denn los??? De ELCH!!!
Diesmal hat sich die Elchmama und ihr Kalb nicht die Büsche ZWISCHEN den beiden Häusern ausgesucht, sondern die Sträucher DIREKT vor unserer Haustür. Heieiei. Mein besorgter Ehemann wollte natürlich verhindern, dass ich mich, nichtsahnend, plötzlich Auge in Auge mit dem Elch wieder finde.
Und was macht man im kanadischen Busch in dieser Situation? Genau. Rein ins Auto – 300 Meter zum Haupthaus hinüberfahren – Esther einladen – und wieder heim.
Den Elch haben wir in der Nacht nicht mehr getroffen. Vermutlich hat er sich hinter einem Schneehaufen versteckt. Weit weg ist er auf jeden Fall nicht gelaufen, denn heute frisst er gemütlich beim Bienenhäuschen…

Ab jetzt heisst es also, in grossem Bogen aussenrum laufen. Mit genug Abstand passiert nichts, denn Elche können zwar viel, aber zum Glück nur ganz schlecht sehen.
^esther

PS. Falls ihr euch noch an die Geschichte “Bein ohne Elch” erinnert: Wir hatten ja vermutet, dass Kojoten letzte Woche das Elchkalb gerissen haben. Als ich nun heute Morgen die Elchkuh und ihr Kalb überraschte, bin ich zwar erschrocken, gleichzeitig ist mir aber auch ein Stein vom Herzen gefallen. Das Kalb lebt! Das heisst aber, dass wohl ein anderer Elch dran glauben musste…