Monthly Archives: November 2014

Das moderne Tagebuch am Arm

Ich werde ja regelmässig gefragt: Was trägst du da für ein komisches Band an deinem Arm, ist das eine Uhr???
– Nein, das ist ein Schrittzähler. Aber kein normaler Schrittzähler.
– Warum?
I tell you why. Anhand einer Tagesauswertung von letzter Woche. Es war an während unseres Ausflugs nach Vancouver…

2011-11-21_Fitbit-TrackKurze Legende für Nicht-Schrittzähler-Besitzer:
Grün bedeutet hohe Aktivität
Gelb bedeutet normale Aktivität
Rot bedeutet wenig Aktivität
Nichts bedeutet logischerweise keine Aktivität.
Tagesziel: 10’000 Schritte. Haben wir locker übertroffen, wie ihr seht.

Jetzt kommt der spannende Teil, nämlich wie kamen die Schritte zu Stande….

1) Ort: Youth Hostel Granville Street, Vancouver
Aktivität: Einmal umdrehen im Bett. Matratze etwas durchgelegen, ansonsten tiptop!

2) Ort: siehe 1)
Aktivität: Toilette

3) Ort: Frühstücksraum
Aktivität: 2 Stockwerke runter, Vollkorn-Bagel fassen, Kaffee fassen, hinsetzen. 2x zurück zur Kaffeemaschine, 1x zurück zum Toaster (der Bagel mag doch noch etwas mehr Schwärze vertragen). 2 Stockwerke hoch mit Zusatzgewicht (2 Muffins und ein Rosinen-Bagel vom Frühstücksbuffet. Psssst!)

4) Ort: Downtown Vancouver.
Aktivität: Auf zum Shopping-Trip. Voller Elan los – Mist! Die Läden sind noch zu. Mist! Es regnet in Strömen. Mist! Wir haben nur einen kleinen Schirm. Lösung: Ab zu unserem Auto in die Parkgarage, dort sind unsere Regenjacken.

5) Ort: Parkhaus Downtown.
Aktivität: Wo ist unser Auto? Nein, ernsthaft. WO ist unser Auto???? UNSER AUTO IST WEG!
1x Parkhaus hoch und wieder runter, ohne Erfolg. Ab zum Parkhauswächter beim Eingang, kurze verbale Auseinandersetzung.
Telefonat mit dem Abschleppdienst. Erleichterung! Unser Auto ist nicht geklaut, es wurde “nur” von der Polizei abgeschleppt. Aus Sicherheitsgründen. Weil es (vermutlich) aufgebrochen wurde.

6) Ort: Skytrain (= U-Bahn)
Aktivität: Nerven beruhigen auf dem Weg zum Abschlepp-Park, wo unser Auto stehen sollte. Rätseln. Oh Gott! Hoffentlich haben sie unsere Wanderschuhe nicht geklaut. Oh Gott! Hoffentlich ist unsere Matratze nicht komplett nass von all dem Regen. Uuuuuuh… Stimmung nicht gut…..

7) Ort: Industriequartier Vancouver
Aktivität: Abschlepp-Park an der Industrial Avenue suchen. Es regnet immer noch in Strömen. Wo um alles in der Welt ist diese ***** Industrial Avenue?? Wir fragen den Pakistani im Möbelladen. Industrial Ave? Has your car been towed? (Wurde euer Auto abgeschleppt?) – Haha. Witzbold. Yes, indeed. (Allerdings)

8) Ort: Busters Towing, Office
Aktivität: Anstehen. Betonbüro. Grüne Wände. Flackerndes Licht. Abgelöschte Schalterfrau. Nein, wir haben nicht falsch geparkt, unser Auto wurde aus Sicherheitsgründen abgeschleppt. Was??? 115 Dollar???? Zahlt das die Versicherung????

9) Ort: Busters Towing, Parkplatz
Aktivität: Auto suchen. Es regnet immer noch in Strömen. Da steht es! Seitliche Scheibe ist kaputt, aber immerhin mit Plastik abgedeckt. Matratze demzufolge gerettet. Glück gehabt! Wanderschuhe sind auch noch da. Glück gehabt! Wanderrucksack ist weg. Kein Glück gehabt. Regenjacken sind ebenso weg und noch ein paar andere Dinge. F****!!!
Immerhin ist die Security Guard nett. Erklärt uns, dass Speedy Glass die Scheibe sicher schnell reparieren würde. Und tröstet uns, dass uns das in jedem anderen Parkhaus auch passiert wäre. Merci. Vancouver, weisch. All diese vielen Obdachlosen. Horrible! (Indeed)

10) Ort: Tim Horton’s Parkplatz
Aktivität: Knabbern. Früchtebrot und Rüebli. Selbst mitgebracht. War immer noch im Auto. Hunger hatte der obdachlose Einbrecher also offenbar nicht. Telefon mit ICBC (Autoversicherung). Sind wir versichert? Nur für die Scheibe. Aha. Selbstbehalt von 300$. (F***!) Aha. Speedy Glass ok? Ok. Dann gehn’ wir also da hin.

11) Ort: Starbucks
Aktivität: Neu gekauften Regenschirm zusammenklappen. Durchatmen. Sitzen. Kaffee trinken.
– Sendepause –
Lage besprechen: Auto ist versorgt, Speedy Glass flickt die Scheibe bis heute Abend. Okey. Was machen wir eigentlich dann mit dem Auto? Hm. Gute Frage. Wir wollen noch bis Morgen in der Stadt bleiben. Vielleicht behalten sie es bei Speedy Glass?

12) Ort: Streets of Vancouver
Aktivität: Schnell zurück zu Speedy Glass! Ja, sie behalten es bis Samstag in ihrer Garage. Glück gehabt. Unser Auto ist somit vorläufig sicher.

13) Ort: Fancy Outdoorshop
Aktivität: Geklaute Regenjacke ersetzen. Hat sich noch nie mehr gelohnt. Genau, es regnet immer noch in Strömen. Ein Lob an dieser Stelle an den Erfinder von Gore-Tex, unsere Trekkingschuhe halten dicht.

14) Ort: Polizeiposten
Aktivität: Warten. Warten. Warten. Warten. Warten. Warten. Warten. Doch, so ein Polizei Rapport ist wichtig. Vielleicht haben wir ja eine Diebstahlversicherung, die für die geklauten Dinge aufkommt.
– Wie bitte? Dort drüben weiter warten? Okey.
Warten. Warten. Warten. Warten. Warten.
– Wie bitte? Warten, bis sie den Rapport in ihren Computer eingeschrieben haben? Okey.
Warten. Warten. Warten. Warten.
– Wie bitte? Den Rapport im Polizeibüro am anderen Ende der Stadt abholen? Häh?? 50 Dollar kostet der??? Und das andere Polizeibüro schliesst in einer Stunde???? – RUN FOREST!

15) Ort: Save-On-Foods
Aktivität: Wasser kaufen. Polizei macht durstig. Schnell auf die Uhr schauen: Help! Wie um alles in der Welt sollen wir es in einer Stunde mit dem öffentlichen Verkehr ans andere Ende der Stadt schaffen?????

16) Ort: zurück im Polizeiposten von 14)
Aktivität: Verhandeln.
– Entschuldigung, das ist aber wirklich nicht möglich, was sie da von uns verlangen!
– OH! Sie haben recht, kein Problem, ich drucke ihnen den Rapport gleich hier aus. Gratis. Nein, kein Witz. Wissen sie, nur die Bewohner von Vancouver müssen auf den anderen Posten. Für Besucher ist der Rapport kostenlos. Bitte entschuldigen sie die Umstände. Es tut uns unglaublich leid, was ihnen wiederfahren ist!
– Merci… Haben sie vielleicht einen Wanderrucksack förig?

17) Ort: Streets of Vancouver
Aktivität: Zurück zum Hostel. Es regnet immer noch in Strömen. Wo kommt nur all das Wasser her…? Schlafen.

18) Ort: Steakhouse
Aktivität: Bellini trinken. Guuuuuuuut. Dieser Tag war wirklich unglaublich. Ja gern, noch einen Bellini. Und diesen Super-Bacon-Double-Great-Cheese-Yummie-Burger mit Extra Pommes.

19) Ort: Youth Hostel Granville Street
Aktivität: Schlafen. Ende, Aus.

Seht ihr? Ich sagte euch doch, dass das kein normaler Schrittzähler an meinem Arm ist. Das ist ein modernes Tagebuch. Vielleicht schreibe ich eines Tages mit diesen Daten meine Memoiren. Das erste Kapitel kennt ihr ja jetzt.
^esther

Farwell Canyon… Beautiful British Columbia

car-plateEs steht auf jedem Autonummernschild: “Beautiful British Columbia” und das stimmt auch. Wir haben wieder einen neuen Fleck davon gesehen.

2014-11-02_0015-1024 Ca. 150 km westlich von uns befindet sich der Farwell Canyon. “Ein Fluss, eine grosse Sanddüne, ein schöner Canyon und Hoodoos” (Gesteinssäulen aus Sandstein) So lautete die kurze Beschreibung von denen, die schon mal dort gewesen waren. Für uns Grund genug, selber einen Tagesausflug dahin zu machen, last Minute, bevor der Schnee kommt.

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“Schöner Canyon”? Wir würden sagen, unglaublich beeindruckend!
Ja der Chilcotin River hat uns den Atem geraubt, deswegen mussten wir auch gleich hinunter steigen und uns die ganze Sache von Nahem ansehen. (Nein, wir wissen nicht, ob das Wasser kalt ist… wir haben zwar Steine gesammelt, Schwemmholz analysiert und ausgebleichte Knochen studiert aber irgendwie hat niemand den Finger ins blaue Nass gesteckt… Liegt vielleicht daran, dass die Aussentemperatur knapp 4°C war. Nix Badewetter….)

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Hoch über dem Fluss thronen die Hoodoos, grenzen die Sandsteinwand mit ihren bizarren Formen vom Himmel ab. Die Säulen gefielen uns derart gut von unten, eigentlich nur logisch, dass wir sie auch von oben betrachten wollten. Also los, raus aus dem Loch und den Blickwinkel wechseln. Ihr könnt euch vorstellen, unser Wanderherz hüpfte ab der endlosen Ebene, die da oben auf uns wartete. Zuerst mussten wir aber noch den obligatorischen Besuch bei der grossen Sanddüne machen. Es sei die grösste in Nordamerika. Oder in Kanada. Oder die höchste? Oder die höchstgelegene? Keine Ahnung. Aber irgendeinen Superlativ hat sie. Verdientermassen. Findet ihr nicht?

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Deine Spuren im Sand…. Achtung, wir waren nicht ALLEINE!

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Die Aussicht zum Zmittag war atemberaubend.

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Natürlich haben wir nicht nur den Sand in unseren Wanderschuhen genossen, es gab auch noch ein bisschen körnigen Käse und Pizzabrot mit Sandbelag. Fast ein bisschen Strandfeeling inmitten der kanadischen Wildnis.
Frisch gestärkt machten wir uns dann auf, die endlose Hochebene abzuwandern. Immer schön entlang der Klippen, von Hoodoo-Fjord zu Hoodoo-Fjord. Unglaublich, die Aussicht da oben!

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Vorsicht, wer auf allen Vieren über die Klippe gucken will, die Gegend sieht nicht nur wüstenähnlich aus, sie ist auch voller winziger, stachliger Kakteen!2014-11-02_0143-1024

Bei einer verlassen Farm am Ufer des Chilcotin haben wir noch einen Wurzel-Keller entdeckt. Wie in den alten Cowboy Filmen, nur echt. Hier hätte also auch “Winnetou” leben können 🙂

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Ein wunderbarer Fleck, den wir kennen lernten durften zusammen mit unseren Québecer Freundinnen Colette und Rachel.

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Des Guten nicht genug, haben wir den Tag mit einer weiteren Neuigkeit abgerundet, wir haben nämlich unsere allererste Poutine gegessen. Schon viel davon gehört, uns selber nie getraut, jetzt endlich probiert. Und genossen! Offenbar hatten wir Glück, die Poutine war “fast wie richtig”, meinten unsere Québecer Freundinnen. Poutine? Ist eine Spezialität aus ihrer Heimat. Googlet mal…
An diesem Tag hat nichts gefehlt. Wirklich. Gar nichts.

Roland & Esther